Riechen und schmecken in Zeiten von Corona
14. April 2021Seit es Corona gibt, wissen immer mehr Leute, was Anosmie bedeutet, ist sie doch eine der zahlreichen unangenehmen Nebenerscheinungen dieser Krankheit. Wer davon noch immer nicht gehört oder gelesen hat, sei dieser Artikel ans Herz gelegt.
Der völlige Geruchs- und Geschmacksverlust ist für viele Betroffene sehr unangenehm gewesen. In den meisten Fällen war diese Nebenerscheinung nach zwei Wochen genauso plötzlich weg, wie sie gekommen ist. Manche Covid19-Erkrankte erleben jedoch etwas, das für mich seit inzwischen fast drei Jahren „normal“ ist: sie leiden an Parosmie, d.h. an einer qualitativen Geruchs- bzw. Riechstörung mit Krankheitswert, die meist auch als Geschmacksstörung wahrgenommen wird. Ich habe darüber hier am Blog berichtet.
In letzter Zeit mehren sich Artikel über Riech- und Schmeckstörungen in den Medien, Menschen tauschen sich auf den sozialen Medien darüber aus und suchen Hilfe, und vor kurzem war Assoc. Prof. Dr. Christian A. Müller, Leiter der Ambulanz für Riech- und Schmeckstörungen am AKH in einem Interview auf FM4 zu hören.
Seine Ambulanz hat mich Anfang März kontaktiert, ob ich eventuell wieder an einer Studie teilnehmen könnte. Ich habe sofort zugesagt, da es mich sehr interessiert hat, ob sich an meiner „Geruchs- und Geschmacksleistung“ etwas geändert hat.
Subjektiv weiß ich natürlich, dass sich viel geändert hat – vor allem zum Besseren. Ich kann viel mehr riechen, wobei nach wie vor unangenehme bzw. undefinierbare, „komische“ Gerüche überwiegen. Das heißt, mein Lavendel oder die Pfefferminze im Garten riechen irgendwie herb-holzig, aber nicht nach Lavendel oder Minze wie in meiner Erinnerung. Bei Thymian und Rosmarin ist das immerhin schon wesentlich besser.
Wenn mein Mann kocht, laufe ich schon länger nicht mehr davon, weil der Essensgeruch grauenvoll ist, aber von Wohlgeruch kann noch immer nicht oft die Rede sein. (und das hat nichts mit seinen Kochkünsten zu tun) Das gilt auch für meine Parfums, für Blumen oder Gerüche der Natur, wie Regen, nasses Gras oder Holz. Spannend ist, dass, wenn andere Menschen über richtigen Gestank klagen, ich oft nichts wahrnehme.
Erfreulich besser geht es meinem Geschmacksinn. Ich kann Essen wieder gut schmecken, vor allem Selbstgekochtes, daher mehr genießen und erkenne sogar Unterschiede, zum Beispiel bei Käsesorten. Besonders stark nehme ich Vanille, Kaffee und Zitrone wahr oder die Gewürze Curry und Kurkuma. Manche Lebensmittel esse ich noch immer nicht, weil sie einfach seltsam oder fast widerlich schmecken: Paprika, Salatgurke, Melone. Auch Erdbeer- oder Haselnusseis sowie Weiß- und manche Rotweine sind nicht mehr erste Wahl für mich.
Patientin Null?
Sehr oft bin ich in letzter Zeit gefragt worden, ob ich vielleicht Covid19-„Patientin Null“ gewesen sei und das heimtückische Virus nach Wien gebracht habe. Nein, bin ich nicht. Und würde sich sowieso nicht mehr mit Bestimmtheit feststellen lassen. Abgesehen davon, dass dann wohl schon in der zweiten Jahreshälfte 2018 ein Lockdown verhängt worden wäre.
Was jedoch wahrscheinlich ist: „mein“ Virus von Juni 2018 könnte ein SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) – ähnliches Virus gewesen sein, ein Vorläufer von Covid19 oder welche Art auch immer. Der Medizinstudent, der Ende März die Studie mit mir gemacht hat, meinte: „Corona hat es ja schon immer gegeben.“ Beruhigend.
Für die Studie habe ich wieder an drei Sets zu je 48 Stiften, also an 144 Stiften, gerochen und musste sagen, ob ich was rieche oder Unterschiede erkenne – viel besseres Ergebnis als 2019. Danach noch mal 16 Stifte zum genauen Erkennen von Gerüchen nach der Multiple Choice-Methode – deutlich besseres Ergebnis! Alle bis auf zwei erkannt. Ebenso sehr gutes Resultat beim Gemackstest, bei dem man an 16 Papierstreifen lutscht und salzig, süß, sauer und bitter erkennen sollte.
Das ist natürlich grundsätzlich sehr erfreulich, aber erwähnen muss ich es trotzdem: wenn ich schreibe, 14 von 16 Gerüchen erkannt, heißt das vor allem, dass meine Nase gelernt hat, den „mutierten“, „komischen“ Geruch eines Lebensmittels zu erkennen. Ich rieche nicht Apfel wie ich ihn von früher kenne, aber ich rieche einen veränderten Geruch, den ich inzwischen als Apfel „erkennen“ kann. Aber Kohlrabi riecht zeitweise auch wie Apfel oder Apfel wie Kohlrabi. Ihr versteht das Dilemma?
Die gute Nachricht zum Schluss: die Nase kalibriert sich neu
Das bringt mich zur abschließenden guten Nachricht, die sich aus der Studie ergibt. Der Studienleiter hat sich nämlich mächtig über mein Ergebnis gefreut, bestätigt es die von der Ambulanz und Expert*innen verordnete Riechtherapie.
Ich habe dieses Therapie nun wieder verstärkt aufgenommen und schnuppere zweimal täglich an vier hochwertigen, reinen Aromaölen, um meine Nase zu „trainieren“. Oder ich rieche beim Kochen bewusst an den Gewürzen, im Garten an den Kräutern, beim Essen an den Speisen. „Ihre Nase kalibriert sich gerade neu“, sagte der Studienleiter. Was das bedeutet? Ein Geruch steht aus vielen Komponenten und meine Nase erkennt immer mehr Komponenten und baut sich sozusagen den vertrauten Geruch nach und nach wieder zusammen.
Ich bin sicher, in drei oder vielleicht fünf Jahren riecht mein Lavendel wieder wie Lavendel. Ob meine Nase auch wieder Kindheitsgerüche oder andere Menschen olfaktorisch erkennen kann, bleibt vorerst weiterhin nur eine große Hoffnung.
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